29.11.2012

Alles was von dir übrig ist, sind Narben und eine Zigarette auf dem Boden.

Ich atmete die kalte Winterluft ein und wieder aus. In der Luft lag schon der Schnee, man konnte deutlich spüren das es bald so weit war. Ich pustete den Rauch in die verdunkelte Umgebung aus, löschte die Zigarette mit kreisenden Fußbewegungen und setzte mir wieder meine Kapuze auf. Sie hatten unsere Hauptstraße schon mit Lichterketten beschmückt, die in der Dunkelheit hellerleuchtet die kahlen Bäume schmücken. Das alles erinnert mich so sehr an letzten Winter, an den Winter wo wir noch alles miteinander gemacht hatten, an den Winter wo du mich aufgebaut hast und mich nicht lange danach wieder fallen gelassen hast. Ich würde dir so gerne zeigen wie es sich anfühlt den Schmerz in sich hinein zu fressen, ich würde dir gerne die Male zeigen die du mit deinen Taten hinterlassen hast. Aber mittlerweile ist es mir egal. Ich habe andere Leute kennengelernt, du hast andere Leute kennengelernt. Vielleicht trifft man sich wieder, vielleicht auch nicht. Du bist nicht richtig für mich, und das weis ich. Du hast mich kaputt gemacht. Aber das ist mir egal, ich vermisse dich.

,,Hör auf, hör auf! Oh mein Gott hör auf, ich kann nicht mehr!". Mein lachen hallte durch dein ganzes Zimmer. Ich bereute es dir gezeigt zu haben wo ich am kitzeligsten bin, denn du hast es nur ausgenutzt. Irgendwann lagen wir nur da und redeten über Gott und die Welt. Du warst ein Wochenende in London, hattest viel zu erzählen. Ich lag neben dir und lauschte deinen Worten, nahm jede Kleinigkeit deiner Reise auf und verarbeitete sie gründlich. ,,Nächstes mal nehm ich dich auf jedenfall mit!", sagtest du. Natürlich war ich direkt begeistert und willigte mit einem lauten ,,Unbedingt!" sofort ein. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt nichts besseres Vorstellen als mit dir durch die verschneiten Gassen Londons zu laufen. Ich konnte mir schon die Blicke der anderen Vorstellen während wir lauthals lachten weil du dich wieder Versprochen hast. Viele hatten dich wegen deines Sprachfehlers ausgelacht, ich liebte ihn aber. Wir konnten so gelassen darüber lachen wie du die Buchstaben verdreht hast, während ich am weinen war und du mich mit lieben Worten aufbauen wolltest. 
Ich nahm dein Gesicht in meine Hände, drückte es so zusammen dass ich lachen musste und gab dir anschließend einen Backenkuss ,,Danke, danke für alles".
Du hast deine Taten immer verharmlost, immer gesagt es wäre ,,normal" sowas zu tun. Aber nein, das ist nicht normal. Viele Menschen verabscheuten mich wegen den Narben, aber du hast über sie gestreichelt und gesagt es ist nicht schlimm. ,,Was passiert ist, ist passiert, daran kann man nichts ändern. Du musst nur lernen mit deinen Gefühlen umzugehen". Du warst der einzige Mensch der für mich da war.
Und das ist es ja. Du warst der einzige Mensch der für mich da war. 
Denn alles was von deinen Worten und Taten übrig ist, sind neue Male an meinem Körper und eine Zigarette auf dem Boden.





22.05.2012

Hörst du wie sie schreit nach dir, meine Seele?



Die Sonne strahlte mir ins Gesicht, ich atmete ein, atmete aus, fühlte mich frei. Meine Haut war leer als ich drüberstrich, keine Narben, einfach glatt. Ich schaute mich um, musste immer wieder blinzeln, die Sonne schien so stark, es war so angenehm warm. Im Hintergrund saßt du auf einem der Steinen an der Inde, sahst mich an, als würdest du nur auf mich warten. Ich grinste dich an, lief zu dir. Als ich näher kam gucktest du stur aufs Wasser, hattest dich nicht bewegt. Ich kam noch näher, rief deinen Namen, aber keine Antwort. Panik machte sich in mir breit, ich ballte meine Fäuste und lief zu dir. Aber als ich da war, warst du weg, lediglich Blut blieb übrig von dir. Ich weinte, schrie, wollte dich zurück.
,,Natalie, alles Okay?", fragte Frau A. mich, meine neue Therapeutin. Ich schniefte, wischte mir die Tränen weg. ,,Ist schon Okay, lass es ruhig raus". ,,Tut mir Leid, eigentlich weine ich ni- Nein das stimmt nicht, egal egal, ich beruhige mich schon. So, es geht schon wieder, es ist nur, er fehlt mir so...". ,,Und was ist mit Vorgestern, wie ging es dir da? Woran hast du gedacht?". Sie hatte kleine Augen, auch keine Brille mehr. Das passte mir ganz und gar nicht, diese Frau kann doch niemals was mit Psychologie und so ein Kram am Hut haben. ,,Weis nicht, er hat mir gefehlt. Aber eigentlich ging es mir schon lange jeden Abend so, nur das ich es Vorgestern halt wirklich getan hab, blöd bin ich, ja schon klar". ,,Nein, um Gottes Willen. Aber 319 Tagen waren viel, ich glaub an dich das es wieder was wird", sagte sie und lächelte mich an. ,,Nein, wirklich nicht. Ich glaub ich hab mich aufgegeben. Eigentlich reicht mir das auch gar nicht. Ich will das alles echt nicht mehr..", ,,Wissen sie, er wurde mir irgendwann einfach so weggenommen, einfach so. Am Anfang hatte ich immer noch seine Worte im Kopf ich pass auf dich auf, aber irgendwann sterben auch diese Worte und ich bin alleine, ganz alleine. Ich will ihn so gerne wieder bei mir haben, und das merke ich erst jetzt. Früher, ich glaub da war er mir nie so wichtig. Und das hat er verstanden. Aber ich wusste doch nicht das er mir so viel bedeutet, so unglaublich viel. Es ist als wär ich abhängig von ihm. Es war so perfekt als er da war, ich war glücklich. So als wäre alles weg, als wäre nichts passiert. Ich musste mich nicht mal mehr anstrengen mich nicht zu schneiden, es passierte von alleine. Und dann, ich hab jeden Abend dagegen gekämpft, und irgendwann war ich zu schwach, die Klinge gewann. Es tat so gut, können sie sich das vorstellen? Ich glaub meine Eltern stecken mich wieder in eine Klinik wenn sie das erfahren, und genau deswegen schneide ich immer weiter, um diesen Gedanken daran zu verdrängen. Oh gott, ich bin so scheiße, so scheiße. Mich hat niemand verdient, Dreck in der Gosse. Auf mich sollte man spucken"